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Channel: Franchises unter der Lupe – Die Academy
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Queer Cinema (# 3)

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© Starobserver

Nachdem in den vorangegangenen Artikeln vor allem das Thema Liebe sowie das Hadern im Zuge des eigenen, oft langwierigen Pfades zur Selbstakzeptanz den inhaltlichen Mittelpunkt bildete, ist der narrative Motor diesmal ein etwas expliziterer. Das Motto „Sex Sells“ ist älter als die Filmgeschichte selbst, denn künstlerisch-kulturelle Anleihen durchziehen insbesondere die griechische Antike in Hülle und Fülle – auch im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Konstellationen. Zudem weiß man spätestens dank der Pilotfolge der genialen LGBT-Serie „Queer As Folk“, dass schwule Männer angeblich alle 9 (!) Sekunden unterbewusst an die schönste Nebensache der Welt denken. Ob dies tatsächlich der Fall ist, sei an dieser Stelle einmal unkommentiert dahingestellt, dennoch zeichnen sich die beiden Filmproduktionen, welche heute unter die Lupe genommen werden sollen, in Wort und Bildsprache durch einen extrem offensiven Umgang mit dem Sujet aus und sind an ein erwachsenes oder zumindest innerlich gereiftes Publikum gerichtet. Was die zwei Genremischungen aus dem Jahr 2016 allerdings deutlich voneinander abgrenzt, ist nicht nur das Land, in dem sie produziert worden sind, sondern auch die zugrundeliegende Intention sowie die Erkenntnis, dass sich die Visualisierung von Erotik nicht per se als Garant für einen unterhaltsamen und anregenden Film erweist. Gelegentlich vermag sie sogar zu ermüden…

Théo & Hugo (OT: Paris 05:59 – Théo & Hugo)

© Epicentre Films

Die Verwunderung war groß, als ein Werk vor vier Jahren hierzulande in vereinzelten Programmkinos zur Sichtung angeboten wurde, das in anderen Staaten ein striktes Jugendverbot erhielt. Ausgezeichnet mit einem halben Dutzend an europäischen Publikumspreisen, ist „Théo & Hugo“ eine kaum geschnittene, weitestgehend auf Musik verzichtende Darstellung in Echtzeit, die mit keiner anderen so recht verglichen werden kann. Die namensgebenden Männer entdecken sich im triebhaften Nachtleben und es scheint sofort, als handle es sich nicht nur um „Lust auf den ersten Blick“. Insbesondere die ersten, in tiefes Rot getauchten 20 (!) Minuten wirken erotisch und hypnotisierend, zugleich aber auch schockierend und fremdartig für Maßstäbe eines Spielfilms, denn selten zuvor wurde schwuler Sex (außerhalb von pornographischem Material) so unzensiert illustriert. Im Paris der Gegenwart angesiedelt, hätte sich die Handlung aber auch in nahezu allen anderen urbanen Zentren ereignen können, denn Sexclubs mit Cruising-Option genießen bekanntlich noch immer Hochkonjunktur. All jenen Zuschauern, die bis dahin noch nicht das Handtuch geworfen haben, dürfte sich allerdings schnell erschließen, dass die Eingangssequenz nicht zum bloßen Selbstzweck verkommt, sondern zum Symbol für den vermeintlichen Kontrast von Zügellosigkeit und Amourösität erhoben wird. Das Folgende besitzt dokumentarischen Charakter, ist aber gekennzeichnet von tiefgreifendem Realismus und bittersüßer Tragik und konzentriert sich fortwährend auf die Emotionen und Gespräche der Darsteller. Dass die beiden Herren über geringe schauspielerische Erfahrung verfügten, erweist sich ausnahmsweise als Segen, denn dadurch pendelt das Gebotene stets zwischen Improvisation und Authentizität. Messerscharf, wenngleich nicht an dem aktuellen Forschungsstand orientiert, wird darüber hinaus auf den zunehmend sorgloseren Umgang mit Geschlechtskrankheiten hingewiesen, doch letztlich obliegt es dem Zuschauer, darüber zu urteilen – oder nicht. Die anfängliche Radikalität mag ähnlich wie die Altersfreigabe ab 16 Jahren äußerst diskutabel anmuten, dennoch möchte „Théo & Hugo“ den Kopf lange nicht verlassen. Trotz aller Schonungslosigkeit und der Einforderung eines hohen Maßes an Geduld steckt viel Wahrheit in der zeitraffenden Parabel über das möglicherweise folgenreiche Spiel mit der Begierde und daher käme es einem Frevel gleich, das Gebotene lediglich als provokantes Sexfilmchen abzutun.

F 2016 – 97 Minuten
Regie: Olivier Ducastel & Jacques Martineau
Genre: Drama / Erotik
Darsteller: Geoffrey Couët & François Nambot

King Cobra

© SSS Entertainment

Im Angebot von Netflix befindet sich auch ein Film, dessen Titel eigentlich bereits leise Vermutungen aufkommen ließ, dass man wohl nicht unbedingt eine brillante Milieustudie serviert bekommen würde. „King Cobra“ möchte einen satirischen wie wirklichkeitsnahen Blick auf das schwule Pornobusiness Amerikas werfen – letztlich gehen aber beide Zielsetzungen grandios nach hinten los. Angelehnt an die Vita des Darstellers Brent Corrigan (*1986), der im Alter von (gesetzeswidrigen) 17 Jahren via Livestream als Erotikdarsteller begann, zerschlagen sich alle Hoffnungen auf Qualität trotz vorhandenen Potentials spätestens in Minute 5. Ähnlich frühreif wie der Porträtierte ist auch das Drehbuch, das gefühlt zwölf verschiedene Genres streift, aber keines konsequent oder ernstzunehmend bedient und stattdessen mit lächerlichen Dialogen aufwartet. Dass das Erstlingswerk schlussendlich in einen (erschreckender Weise) auf wahren Begebenheiten beruhenden Mordfall mündet, lässt einen als Beobachter ebenso kalt wie die abstruse und letztlich belanglose Skizze rund um Geltungssucht, Neid, Jugendwahn und Korruption inmitten einer lukrativen, aber hart umkämpften Branche. Des Weiteren wirken sämtliche sexuell aufgeladene Szenen unglaublich gestellt und verströmen keine prickelnde Erotik, sondern erinnern eher an den Reiz einer Darmspülung. Während sich Christian Slater in der Rolle des Produzenten streckenweise äußerst verzweifelt, aber vergeblich in Schadensbegrenzung übt, schießt der vor zehn Jahren für den Oscar nominierte James Franco den Vogel komplett ab und liefert unglaubwürdiges Overacting der allerübelsten Sorte. Und auch der Protagonist, verkörpert durch Garrett Clayton, vermag abgesehen von ein paar schleimig-frivolen Blicken vor der Kamera nicht zu glänzen. Insgesamt ist „King Cobra“ – glücklicherweise nur kostengünstig gestreamt – ein kümmerliches Machwerk, der außer nackter Haut nicht wahnsinnig viel zu bieten hat und vielfach Vorurteile bestätigt statt sie beiseite zu räumen und die Schwächen der Gay-Community offenlegt. Armselig und ohne jeden Spannungsbogen inszeniert, driftet speziell das Ende in den Bereich unfreiwilliger Komik ab und erfüllt einen letztlich mit Dankbarkeit darüber, dass die filmgewordene Lebenszeitverschwendung wenigstens nur anderthalb Stunden dauerte.

USA 2016 – 92 Minuten
Regie: Justin Kelly
Genre: Biographie / Drama / Erotik / Krimi
Darsteller: Garrett Clayton, Christian Slater, Keegan Allen, James Franco, Alicia Silverstone, Spencer Lofranco, Molly Ringwald, Sean Grandillo

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